mein Weg
Meine Depression begann, so denke ich heute, schon im Jugendalter und zog sich dann in Episoden, mal mehr und mal weniger, durch mein Leben.
Sie verändert mein gesamtes Leben, mein denken und mein fühlen.
Ich habe in meinem Leben viel gesehen und erlebt. Heute weiß ich, dass mich einiges davon traumatisiert hat. Markante Erlebnisse waren, meine Kindheit und Jugend, meine gescheiterte erste Ehe, die Gewalt in meiner zweiten Ehe.
Ich war ein hoch aktiver Mensch, der immer versuchte es allen Recht zu machen, perfekt zu sein. Ich fühlte mich immer für alle Belange in der Familie zuständig, da von meinem damaligen Mann keinerlei Unterstützung kam. Ich war immer gefordert. Ich hatte keine Zeit für mich selbst. Ich hatte auch nie gelernt auf mich selbst zu achten und lebte immer mit dem Gefühl nichts gut genug zu machen. Egal wo. Meinen Eltern konnte ich es nicht Recht machen, sie hatten immer irgendwas auszusetzen.
Nach zahllosen Enttäuschungen, Verarschungen von der engsten Familie, nach Trennungsschmerz und Schuldzuweisungen, brachte irgendwann dann der berühmte letzte Tropfen mein Fass zum überlaufen. Die Depression hat mich überfallen und mein ganzes Leben ist über mir zusammen gebrochen. Ich konnte einfach nicht mehr, gar nichts mehr. Ich wusste nicht mehr wer ich bin.
Es kam der Tag, an dem ich mich endlich meinem Hausarzt anvertraute.
Eine Überweisung zu einem Spezialisten brachte den Stein ins rollen und endlich wusste ich was all die Jahre mit mir los war. Es war wie eine Befreiung.
Meine Depression begleitet mich Tag für Tag. Es gibt gute Tage und wenig gute Tage.
Jeder Tag ist anders und ich versuche zu lernen, jeden Tag zu nehmen, wie er ist. Meine Depression nimmt mir oft meinen Antrieb, mein Leistungsvermögen, das Licht und die Farben des Tages, die Freude am Leben und meine Gefühle. Ich kann mich dann weder freuen, noch weinen, mich nicht ärgern oder wütend sein, nicht fröhlich sein. In mir sind die Gefühle im Einerlei.
Ich bin kaum fähig mein Alltagsleben zu meistern. Ich habe nur noch sehr wenig Struktur im Tagesablauf und diese ist ein harter Kampf, jeden Tag. Es gibt viele Tage, da wundere ich mich, wenn es dunkel wird, dass der Tag vorbei ist und ich weiß nicht, wie ich die Zeit verbracht habe. Ich bin ständig müde und schlapp, bin antriebslos und habe das Gefühl ich trage einen Tonnen schweren Rucksack.
Die Leichtigkeit des Lebens ist nicht mehr vorhanden.
Alles was ich tue, bedeutet für mich Überwindung und strengt mich ungeheuerlich an. Alles, was Menschen, am Tag so nebenbei tun, ohne darüber nachzudenken, stellt mich vor hohe Herausforderungen, die ich oft nicht bewältigen kann.
Ich bin dazu nicht in der Lage. So bleibt die Wäsche liegen, das Frühstücksgeschirr steht am Abend noch dort, wo es am Morgen stand, die Krümel auf dem Fußboden krümeln vor sich hin, ich bin am Abend noch im Schlafanzug und das Einzige was ich geschafft habe ist, aufzustehen. Das wiederum ruft in mir alle Arten von Selbstvorwürfen, Schuldgefühlen und Minderwertigkeitsgefühle hervor, die entsprechend im Gedankenstrudel wirbeln. Ich kann mich selbst nicht leiden, finde mein Leben nicht lebenswert.
Einkaufen ist eine riesige Überwindung, die mich ins schwitzen bringt.
Gespräche, Unterhaltungen bereiten mir oft keine Freude, weil sie mich anstrengen. Ich habe Mühe im Gespräch zu bleiben, es zu verfolgen und oftmals schaltet mein Kopf einfach ab.
Laute Stimmen, Schreie, Töne, Hupen bringen mich total aus dem Gleis. Auseinandersetzungen, Diskussionen zu einem Thema, schlechte Stimmung unter Menschen sind für mich nur unheimlich schwer auszuhalten. Ich kann es einfach nicht aushalten, es lässt meine Nerven im ganzen Körper surren.
Oft versinke ich in meiner grauen Welt und Gedankenstrudel bestimmen den Tag. Der Kopf hört einfach nicht auf zu denken. Alle Dinge aus der Vergangenheit oder Dinge aus dem Alltag drehen sich im Kreis. Sie machen mich verrückt.
Das schlimmste jedoch, ist für mich, das meine Gefühle nicht funktionieren.
Das ist grausam und kein Mensch kann sich vorstellen, keine Gefühle zu haben, da der Mensch selbstverständlich mit seinen Gefühlen lebt. Mein Gefühl ist „Egal“, ein einheitliches Nichts, nur mein Kopf und mein Herz wissen, ganz sicher, dass ich diese Menschen liebe.
Dies und noch viel mehr geschieht in meinem Leben mit der Depression. Und doch möchte ich leben! Und doch bin ich ein wertvoller und liebevoller Mensch. Ich werde weiter lernen, mein Leben anzuschauen, Erkenntnisse sammeln, Gedankenwege neu lenken lernen, um irgendwann besser Leben zu können und meine Gefühle wieder zu finden.
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