Freunde
Meine Depression läßt sich in zwei Arten einteilen, die unterschiedlicher kaum sein könnten.
Erstens ist es die Hölle auf Erden, die mir sämtliche Energie und meinen Lebensmut raubt und mich spielend in die tiefsten Abgründe stößt.
Zweitens ist es dann auch wieder nur eine völlig gesunde Reaktion meines Körpers oder meiner Psyche auf sehr ungesunde Lebensumstände, die sich so nicht weiter ertragen lassen.
Das klingt sehr gewaltig und das ist es auch.
Und das alles kommt natürlich nicht mit einem Schlag aus dem Nichts heraus, sondern es baut sich über Monate oder Jahre langsam auf, um dann mit härtester Kraft zuzuschlagen.
Diese Intensität ist so enorm, dass jegliches Ankämpfen zum Scheitern verurteilt ist. Mit Kämpfen meine ich Ignorieren, einfach weiter machen und für sich denken„es geht schon bald wieder weg“.
Meine Depression raubt mir sämtliche Energie.
Mir fehlte im Alltag die Kraft für alles. Schon der Gang zum Supermarkt ist häufig viel zu viel.
Ich rutschte immer mehr in einen Zustand des Dahin-vegetierens hinein. Mein Schlafbedürfnis ist immens, aber der Schlaf hat oft nichts Erholsames oder Erfrischendes.
Ich weiß, dass ich den Anforderungen des Lebens zur Zeit nicht gerecht werde. Trotzdem seh ich kein Entkommen aus dieser Situation und es hat sich schon eine große Gleichgültigkeit über mich gelegt.
Psychische Erkrankung ist eher ein Zeichen von Schwäche, im besten Falle nicht existent und falls doch, spricht man lieber nicht zu sehr darüber. Die verschwinden schon von alleine, wenn man einfach weiter macht. Diesem Glauben hing ich lange auch an.
Irgendwann aber kam der Zeitpunkt, an dem die Depression gnadenlos zu schlug. Sie war für mich nicht mehr zu übersehen und ich musste mir eingestehen, dass sie nicht einfach wieder weg geht.
Dann macht sich das Gefühl des Gescheitert-Seins in mir breit.
Selbstvorwürfe, nahezu kompletter sozialer Rückzug, Schlaflosigkeit, sehr starker Appetit, regelrechte Fressanfälle und irgendwann auch der Wunsch, nicht mehr weiter zu leben sind oft die Konsequenzen aus all dem. Dies ist die unglaubliche Macht, mit der meine Depression zuschlägt.
Und man braucht andere Menschen, um wieder aus der Finsternis rauszukommen. Alleine ist dies, meiner Meinung nach, nicht möglich. Ich meine damit nicht nur professionelle Hilfe von Therapeuten oder Ärzte.
Ich brauche auch Freunde und/oder Familie, damit ich mich wohlfühle. Einsamkeit ist eines der fürchterlichsten Gefühle, die ich kennenlernen „durfte“.
Freunde, vor denen ich mich nicht verstellen muss, sind für mich wichtig.
Was wünsche ich mir von meinen Freunden? Ich wünsche mir am allermeisten Verständnis, wenn mir jemand interessiert zuhört, Verständnis für die Schwierigkeiten zeigt, und nicht urteilt, das würde mich glücklich machen.
Man sollte die Krankheit nicht als Wettrennen verstehen. Sprüche wie" und wie schauts aus? Schon Fortschritte gemacht?" Mag sein, dass es wirklich interessiert gemeint ist. Nur es setzt mich ungemein unter Druck. In schlechten Phasen bin ich selbst unzufrieden mit meiner Situation und mache mir selbst genug Druck, da heraus zu kommen.
Jeder Impuls von außen verstärkt das Ganze dann nochmal sehr. Es heißt nicht, dass ich nicht mit anderen darüber sprechen möchte. Aber kluge Ratschläge wie: „So langsam solltest du Dich aber mal wieder fangen usw.“, setzen mich ungemein unter Druck und lassen mich schnell wieder sehr schlecht fühlen.
Und allgemein ist es mir wichtig, nicht bevormundet zu werden. Depressionen haben nichts mit Intelligenz zu tun.
Weil ich die Krankheit habe, bin ich nicht dümmer geworden und brauche keinen, der mir wichtige Entscheidungen abnimmt.
Ich kann nach wie vor noch für mich selbst sorgen.
Über Hilfestellungen bin ich meistens dankbar. Nur Bevormundung ist etwas ganz Fürchterliches.
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