In meiner Seele ist es Nacht...
Angst ist nicht das, was ich am meisten fürchte – obwohl ich diese Anfälle aus heiterem Himmel kenne, die mir das Herz bis zum Hals schlagen lassen und mich in Sekundenschnelle mit Todesangst fluten bis unters Dach – sie sind es nicht, die mir das Leben manchmal unerträglich machen.
Denn Angst ist ein sehr lebendiges Gefühl – sie fordert volle Konzentration, ein hohes Maß an Energie, alles verdichtet sich zu diesem einen, drängenden Gedanken: überleben, irgendwie da durchkommen.
Die Muskeln hart, das Blut in den Adern pocht, die Luft wird knapp – und irgendwann dann schließlich die Entladung, wenn die Attacke ihren Klammergriff endlich löst und Entspannung meinen Körper erfasst. Hoch und Tief des Lebens, in wenigen Augenblicken. Anstrengend wie ein Marathonlauf.
Aber immer noch bunt, wenn auch ein wenig schrill.
Aber was darunter liegt, das ist das wahrhaftig Beängstigende.
Dieser matte, dumpfe Teppich, der dem Leben alle Farben entzieht und den Gefühlen den Sound abdreht. Depressionen.
Ich glaube, die Depression ist schon lange in mir, ein Abgrund unter der dünnen Schicht Leben, die ich ihr abgetrotzt hatte, aber in einem Moment, in dem meine Seele zersprang, brach ich einfach ein.
Immer, wenn Menschen den Kampf gegen sie verloren, Robert Enke, Robin Williams, Chester Bennington, ergreift mich Panik –wenn sie es nicht schafften, Menschen, die Zugang zu den besten Therapien hatten, wenn sie es nicht schafften – wie konnte ich es dann schaffen?
Wird mich diese partielle emotionale Mondfinsternis wirklich mein ganzes Leben lang begleiten?
Ich beneide glühend all jene, die mich nur verständnislos anschauen, wenn ich das Wort mit "Depression" in den Mund nehme.
Was für gesegnete Wesen!
Oft höre ich den Satz: „Aber warum fragst du dich denn nach dem Sinn des Lebens? Genieß es doch einfach!“
In ihrer Denkwelt eine logische Frage.
In meinem Kopf nicht.
Denn ich stelle mir diese Frage nicht.
Das Gefühl ist einfach da.
Es ist eine Form von Hoffnungslosigkeit, die sich einfach meiner bemächtigt, ohne, dass ich sie eingeladen, gebeten oder stundenlang darüber philosophiert hätte.
Das ist ja das Heimtückische.
Natürlich gibt es, neben der allgemeinen Tendenz zur Dunkelheit, Phasen, in denen sich die Symptome noch verschlimmern. Nach der Trennung von Teilen meiner Familie rieb sich die Depression begeistert die Hände, um anschließend wie eine Wahnsinnige über mich herzufallen.
Ihre Wucht war so gewaltig, dass ich weiter gar nichts tun konnte, außer mich in den Wind zu stellen und die Wellen kommen zu lassen.
Die guten Momente zum Atemholen zu nutzen – und es waren wenige – und irgendwie daran zu glauben, dass es sich lohnt, weiterzumachen.
Denn meine Erfahrung ist auch die:
Je mehr ich dagegen ankämpfe, je mehr ich sie nicht haben will, je stärker ich mit viel zu schwachen Glühbirnen gegen diese Schwärze anzuleuchten versuche – umso mächtiger wird sie.
Deshalb gibt es immer diesen Moment, an dem ich –vorübergehend!– kapituliere.
In dem ich akzeptiere, dass sie da ist und sie einfach da sein lasse. Dann habe ich einfach keine Kraft mehr , an ihrem Rand zu balancieren.
Dann tauche ich für einige Tage ab und gebe ihr den Raum, den sie so lautstark beansprucht. Und nach einer Weile lösen sich dann aus dieser Hoffnungslosigkeit wieder einige Gefühle, unangenehme meist: Traurigkeit, Wut, Einsamkeit, in letzter Zeit vor allem Einsamkeit. So, wie in der Dämmerung die Dinge um uns langsam wieder Konturen annehmen und sich aus der Dunkelheit herausschälen, schwappen dann diese Emotionen in mir hoch – sie zu fühlen ist ein steiniger Weg.
Ich hoffe trotzdem, dass sich mein Lebens ein bißchen mehr Richtung Sonnenseite ändert.
Möglich wird das aber vermutlich nur dann, wenn ich bereit bin, alte Wunden heilen zu lassen und mich nicht zu betäuben.
In meiner Therapie versuche ich den Gefühlen meiner Vergangenheit zu begegnen.
Stück für Stück grabe ich aus und ich mache Fortschritte, ich heule wie ein Baby und wühle mich durch Schichten und Schichten aus Schmerz.
Und dann gibt es Momente, in denen ich denke, ich kann gar nicht genug Selbstliebe in mir haben.. diese Flut an Traurigkeit und Verlassenheitsgefühlen ist einfach zu groß für mich.
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