Es ist wichtig Depressionen als Krankheit ernst zu nehmen!







„Du bist nicht krank, du bist manchmal nur ein wenig melancholisch.“ oder “ Ich war auch schon mal traurig” und vieles mehr in der Art. Das sind Worte die ich oft höre. Wie reagieren, wenn das Gegenüber einem in die Augen schaut und sagt, dass er dir nicht glaubt, dass du leidest? Da mir in Sachen Blockade und Mauer bauen keiner so schnell das Wasser reichen kann, war für mich eine Reaktion schnell gefunden. Lächeln, zustimmen, sich wünschen an einem anderen Ort zu sein und nie wieder darüber reden. Die Situation dürfte den Meisten, die sich als depressiv oder psychisch krank „outen“, bekannt sein. Was mir passiert ist, bezeichne ich gerne als „Stell dich mal nicht so an“-Reaktion. Psychische Krankheiten werden von der Gesellschaft nicht wirklich als ernstzunehmende Krankheit anerkannt. Die Allgemeinheit kennt aber noch eine weitere Reaktion, die in eine etwas andere Richtung geht. Nennen wir sie mal die „Fuck, die ist durchgeknallt“-Reaktion*, bei der die Krankheit ernst genommen wird, Betroffene stigmatisiert und marginalisiert werden. Egal wie sehr ich mir Verständnis für meine Erkrankung wünsche, im Prinzip muss ich immer damit rechnen entweder nicht ernst genommen, oder als Fehler Gesellschaft ausgegrenzt zu werden. Ich bemühe mich nicht einmal eine diplomatische Umschreibung zu finden, denn dieser Status ist nur scheiße. Beide gesellschaftlichen Reaktionen sind der Beweis für unser kollektives empathisches Versagen, doch das wirklich Schlimme daran ist, was solche Aussagen in Betroffenen bewirken.
Mir wurde vor gar nicht langer Zeit erst klar, dass ich wohl irgendwie an einer Krankheit leiden muss. Zuvor glaubte ich, dass ich eben ein wenig melancholisch sei und manchmal gern in Selbstmitleid bade. Dass ich traumatische Erlebnisse nicht richtig verarbeitete, mich selbst hasste und die Beziehung zu meiner Familie therapiebedürftig war, kam mir nicht in den Sinn. Erst als meine Krankheit mir wirklich im Nacken saß, merkte ich mit Hilfe von Artikel und Selbsttests, dass bei mir einiges im argen lag.
Unterbewusst war mir das zwar schon sehr viel länger klar, meine Krankheit mir gegenüber einzugestehen hat aber einiges an Kraft und Überwindung gekostet. Diesen Weg gehen sicherlich die meisten Betroffenen, kaum einer wacht morgens auf, geht zum Arzt und hält dann einen Schein mit der Diagnose Depression in der Hand. Selbst mit einer ärztlichen Aussage fällt es den meisten Betroffenen schwer ihr Leiden als Krankheit zu akzeptieren. Viele sehen eher persönliches Versagen in ihren Symptomen.
Bei einer Konfrontation mit der „Stell dich mal nicht so an“-Reaktion wird aber nicht nur genau dieser Glaubensansatz bestätigt, sondern eine noch viel verheerendere Lawine ins Rollen gebracht. Das Gehirn spielt uns Streiche und lässt uns glauben, dass wir allein seien. Es sagt uns, dass wir nicht gut genug sind und, dass uns sowieso niemand verstehen kann. Genau diese Gedankengänge machen Depression so tückisch, weil sie uns schrittweise in die emotionale Isolation drängt, wo die Krankheit dann Oberwasser hat. Eine „Stell dich mal nicht so an“-Reaktion bestätigt diese Gedankenansätze und sorgt dafür, dass Betroffene weiter isoliert werden. Warum sollte ich glauben, dass ich nicht allein sei, wenn mir die Gesellschaft doch genau dieses Gefühl vermittelt?
Ein wenig anders ist die gegenteilige Reaktion. Hier wird die Krankheit zwar ernst genommen, doch statt sie eben als Krankheit mit Ursachen, Symptomen und Therapiemöglichkeiten zu sehen, wird sie als menschliches Versagen stigmatisiert. Menschen die an psychischen Erkrankungen leiden, werden hier vor allem als Teile gesehen, die von der Norm abweichen und somit nutzlos und/oder gefährlich sind. Zwar unterscheidet sich diese Reaktion stark von der „Stell dich mal nicht so an“-Variante, jedoch ist das Endergebnis ähnlich. Betroffenen wird das Gefühl vermittelt, dass sie keinen Platz in der Gesellschaft haben und deshalb herausgedrängt werden müssen. Einziger Unterschied ist, dass bei der „Fuck, die ist durchgeknallt“-Reaktion die Betroffenen eher geschoben werden (Push), während sie bei der ersten Variante „freiwillig“ gehen (Pull). Warum sollte ich glauben, dass ich nicht allein sei, wenn mir die Gesellschaft das Gefühl vermittelt, dass ich in ihrer Mitte nicht erwünscht bin?
Ich leide, und alles man mir entgegensetzen könnt sind zwei Reaktionen die nicht kalt und herzlos sind, weil sie mir nicht helfen, sondern die kalt und herzlos sind, weil sie die Krankheit noch verschlimmern.

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