Sich verlassen, um zu leben …
… darum trennen sich Kinder von ihren Eltern. Oder Eltern von ihren Kindern.
Egal, wie herum es am Ende gedreht wird, bei dem Ganzen ist im Vorfeld immer etwas passiert.
Was genau?
Darüber reden die wenigsten. Ich habe hier Teile meines Leben offen gelegt, weil sie ein großer Faktor für mein Verhalten, die destruktiven Denkmuster, den depressiven Episoden und die Suizid-Gedanken sind.
Ich habe immer versucht, den Kontakt abzubrechen, weil ich es nicht mehr ausgehalten habe, mich den emotionalen Erpressungen meiner Mutter hinzugeben. Geschafft habe ich es nur bedingt. Zu groß war mein Wunsch, doch wenigstens ein einziges Mal die Bestätigung zu bekommen, dass ich irgendwas gut gemacht habe. Habe ich nie – egal, was es war.
Meine Mutter hat sich allem widersetzt, was ich je von mir preisgegeben habe. In meinem Leben ging es nie um meine Bedürfnisse und Wünsche. Die waren nicht materiell. Das, was ich immer gebraucht habe, war die Liebe meiner Mutter, das Gefühl gewollt zu sein...aber dies wurde mir verwehrt.
Immer wieder breche ich den Kontakt ab, weil ich jedesmal schmerzlich feststelle, das nicht, rein gar nichts von ihr in meine Richtung kommt. Ich kann mich bemühen wie ich will. Auch jetzt herrscht wieder Funkstille.....
Und das ist gut so. Ich würde lügen, wenn ich nicht ab und zu mal an sie denke. Zumindest flüchtig. All die Verletzungen versuchen jetzt zu heilen .
Erinnerung tut mir immer noch weh. Es kommt oft Wut auf. Es ist Trauer da. Mein Kindheit ist eine von vielen, in den Eltern Fehler gemacht haben. Es ist eine von denen, wo nicht alles gut gelaufen ist. Sie haben sich gekümmert, aber das war es auch. Mich versorgt mit dem was man zum Leben so braucht.... nur die Liebe fehlte. Das ist Fakt.
Meine Aufgabe ist es nun, mich als Erwachsener darum zu kümmern, diese Wunden zu versorgen das sie heilen können, damit das Erlebte keinen Platz mehr hat.
Sicher sind solche Aussagen erschreckend und schlimm, aber hier kann ich sagen: Es gibt viele, die ganz andere und schlimmere Sachen erlebt haben. Aber es war für mich schlimm genug.
Es hat mich geprägt.
Ich hab die Scheiße mit ins Leben genommen.
Ich habe ums Überleben gekämpft. Ich habe mich überlebt. Ich lebe noch immer mit mir. Mit meinen Gedanken. Mit vielen Teilen dieses Bildes, das andere für mich geschaffen haben.
Ich bin gerade dabei eine Therapien zu machen.
Ich muss das aushalten.“Ich bin kein wertvoller Mensch, ich werde nie etwas richtig hinbekommen und immer fehlerhaft sein.“
Wenn ich es zulasse, finde ich an jedem Tag etwas, dass dieses Gefühl bestätigt. JEDEN TAG!
Mit dieser Peinigung meines Selbst muss ich im Moment leben, bis ich besser damit umgehen kann, dass ich einen Wert habe. Das ist ja nicht das einzige. Leider. Oder gut?
Ich weiß es nicht. Es ist zumindest meine Aufgabe, für mich zu sorgen. Niemand anders kann das übernehmen.
Keine Therapeuten, keine Freunde oder Fremde mit ähnlichen Erlebnissen. Ich muss diesen Weg gehen, um mehr ich selbst zu sein.
Und doch möchte an der Stelle etwas klar stellen. Selbst wenn seelischer Missbrauch stattgefunden hat gibt es immer zwei Seiten der Medaille.
Ich finde es wichtig, dass ich das heute so sehen kann.
Es gibt jemanden, der verlassen wird. Und es gibt jemanden, der verlässt.
Aber noch wichtiger finde ich, dass wir Menschen in den Situationen nicht verurteilen.
Ich möchte weder Mitleid für meine Erlebnisse, noch möchte ich, dass jemand – unwissend über alle Ereignisse – Urteile ausspricht.
Jeder von uns hat eine Geschichte in seinem Leben, der ihn zu dem gemacht hat, der er ist. Auch meine Mutter.
Ich relativiere nicht, ich reflektiere und kann versuchen die Sichtweise von ihr einzunehmen.
Reichen wir doch anderen Menschen einfach die Hand und gehen ein Stück zusammen. Unterstützen wir uns. Egal, auf welcher Seite wir stehen.
Vor allem: Wir sollten bei einem Kontaktabbruch über die Gründe reden, damit die Gegenseite das verstehen kann – auch wenn das Zeit braucht und diese das nicht immer verstehen will. Egal welche Seite wen verlässt, ob Eltern ihre Kinder, ob Kinder ihre Eltern, es bleiben Menschen zurück, die automatisch nach dem Warum fragen.
Ich habe das Warum nie von meiner Mutter gesagt bekommen. Ich habe mein Warum aber auch noch nicht ausgesprochen. Meine Mutter hat keine Tür zugemacht, sie hat sie für mich erst gar nicht geöffnet.
Welchen Schaden sie damit angerichtet hat, ist ihr gar nicht bewusst.
Der Schaden ist nicht reparabel und ich kann hier nur von mir reden, ich muss damit leben.
Ich ertrage über Jahre oder Jahrzehnte eine mentale Peinigung, weil ich noch immer hoffe.
Hoffe, dass dieser Funken Liebe, den ich so in mir spüre, doch mal überspringen muss.
Als Erwachsener wird das Bedürfnis danach nicht kleiner!
Am Ende muss jeder mit seiner Lebensgeschichte zurechtkommen.
Aber wir haben eine große Chance:
Miteinander umzugehen, klare Grenzen zu setzen und füreinander zu sorgen.
Noch wichtiger: Sorgt für eure Kinder.
Sagt ihnen nicht, dass sie ungewollt sind.
Sagt ihnen auch nicht, dass sie ein Mädchen oder Junge werden sollten.
Sagt ihnen nicht immer, was sie alles falsch machen, sondern lobt sie, unterstützt sie, fördert sie.
Liebt sie einfach so, wie sie sind – mit ihren Fehlern und Macken.
Meckert, setzt Grenzen, aber liebt sie.
Zeigt ihnen das. Ein paar Minuten Liebe am Tag, mehr braucht es manchmal nicht.
Alles, was ein Kind möchte, ist geliebt und wahrgenommen werden.
Denn Kinder lieben bedingungslos Ihre Eltern. Und sie verstehen oft den Zusammenhang nicht, wer an etwas schuldig sein kann, oder ob ihr Verhalten falsch war.
Gebt nicht die Freunde, Ausbildung, Studium oder ähnliches vor, fördert ihre Interessen und Wünsche.
Antwortet auf ihre Fragen. Wertet sie nicht, sagt ihnen nicht, dass etwas nicht so schlimm ist, wenn sie weinen. In dem Moment ist es für ein Kind schlimm. Würde es sonst weinen?
Einfach nur mal in den Arm nehmen und wahrnehmen. Bestraft sie nicht mit Liebesentzug, erklärt ihnen die Fehler und zeigt es richtig.
Schämt euch nicht, selbst Fehler zu machen – aber erklärt sie, entschuldigt euch, seid aufrichtig.
Kinder verzeihen Fehler.
Und Fehler sind wichtig, damit sie selbst lernen, mit Fehlern umzugehen. Spielt die Festplatte in ihren Köpfen nicht falsch auf.
Und liebt! Einfach so.
Je mehr wir das leben können, desto stärker wird die Bindung.
Manchmal ist es wirklich hilfreich, sein Verhalten und seine unbedarften Aussagen zu reflektieren.
Kinder spiegeln da sehr viel.
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